Rezension zum Buch „Umweltschadstoffe
und Neurodegenerative Erkrankungen des
Gehirns (Demenzkrankheiten)“
Viele chronische Krankheiten, die langsam
fortschreiten und zu zunehmenden Allgemeinbeschwerden führen, wurden in den
letzten Jahren als Folge von andauernden Expositionen der Betroffenen gegenüber
Umweltchemikalien beschrieben, darunter das Chronische Erschöpfungssyndrom, die
Toxische Enzephalopathie, das Lösungsmittel- und
Holzschutzmittel-Syndrom, die Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS), um nur
einige zu nennen. Aber auch die in der Häufigkeit innerhalb der Bevölkerung
rasant zunehmenden Demenzerkrankungen wie die Parkinson-Krankheit, die
Alzheimer-Krankheit, die Multiple Sklerose und andere, die irreversibel bis zum
Absterben ganzer Hirnregionen verlaufen, werden durch eine zunehmende Zahl von
wissenschaftlichen Befunden mit Expositionen gegenüber Umweltchemikalien in
Zusammenhang gebracht.
Die Wissenschaft hat vielfältige Hinweise
dafür geliefert, dass als Folge der Wirkungen dieser Chemikalien chronisch
entzündliche Krankheitsprozesse im Gehirn ablaufen, die sich selbst verstärken
und verselbständigen, und dies auch dann, wenn in den Körperflüssigkeiten die
auslösenden Chemikalien mit den gängigen laboranalytischen Methoden schon lange
nicht mehr nachweisbar sind.
Das Buch von H.U. Hill beschreibt
ausführlich neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zu den biochemischen
Mechanismen dieser Demenzkrankheiten und kommt zu dem Schluss, dass
Umweltchemikalien neben anderen Faktoren als Auslöser dieser irreversibel
verlaufenden schweren Krankheiten in Frage kommen. Dies wird sowohl durch
epidemiologische Daten als auch durch die biochemischen Mechanismen der
Krankheiten belegt. Auffällig ist dabei, dass die Krankheitsmechanismen in wesentlichen Merkmalen mit den von Pall in seinem Buch „Explaining unexplained Illnesses“ (2007)
beschriebenen Mechanismen chronischer Multisystem-Erkrankungen, zu denen auch
die Multiple Chemikalien Sensitivität (MCS) gehört, übereinstimmen. Dies wird
am Beispiel des oxidativen und nitrosativen
Stresses, der Aktivierung des NMDA-Rezeptors und des Stickstoffoxid-Peroxynitrit-Zyklus aufgezeigt.
Das Buch nimmt eine Gegenposition ein zu einem
Kausalitätsverständnis von Gutachtern, die Langzeitwirkungen von Chemikalien im
Gehirn außer Acht lassen und nur akute toxische Wirkungen von
Chemikalien-Expositionen als bewiesen gelten lassen. Leider aber verhalten sich
die chronischen Wirkungen von Chemikalien besonders im Gehirn und Nervensystem
nicht so, wie dies die kurze Halbwertszeit der Erkenntnis zeitlicher
Zusammenhänge bei Gutachtern, Richtern, Vertretern des Gesundheitswesens und
Politikern zulässt.
Vorangestellt ist ein Kapitel, in dem exemplarisch die
neurotoxischen Wirkungen einiger wichtiger Chemikalien dargestellt werden.
Dabei weisen aktuelle Erkenntnisse über Wirkungen von Insektiziden vom Typ der
organischen Phosphorverbindungen (Organophosphate) bereits
auf die Mechanismen chronisch-degenerativer Demenz-Erkrankungen hin. Das Buch
macht deutlich, dass diese Pestizide und andere Umweltchemikalien für die
rasante Zunahme von Demenzkrankheiten in den Industrieländern verantwortlich
gemacht werden können.
Angaben zum Buch
Hans-Ulrich Hill: „Umweltschadstoffe und Neurodegenerative
Erkrankungen des Gehirns (Demenzkrankheiten)“,
Mittlerweile ist die 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2012 des Buches Umweltschadstoffe und Neurodegenerative Erkrankungen (Demenzkrankheiten)" erschienen. Shaker Verlag Aachen, 450 S., 24,90 Euro, ISBN 978-3-8440-0851-7.
In der 3. Neuauflage wurden neue Erkenntnisse der Neurowissenschaft verwertet, nach denen Entzündungsvorgänge im Gehirn nicht nur bei den bekannten Umwelt- und Demenzkrankheiten (MCS, CFS/ME, Toxische Enzephalopathie, Alzheimer- und Parkinson-Krankheit, und andere) sondern auch bei fast allen psychiatrischen Krankheiten eine Rolle spielen. Als Ursachenfaktoren kommen neben Umwelteinflüssen (Schadstoffe, Allergene, Infektionserreger) auch chronischer psychosozialer Stress in Frage. Ein Zusammenwirken von hoher Stressbelastung mit den genannten Umweltfaktoren führt demnach zu einem besonders hohen Risiko für psychiatrische und Demenz-Erkrankungen. Diese nun erwiesene Tatsache ist von großer Bedeutung für die Planung von Maßnahmen zur Prävention gegen diese Krankheiten. Leider stehen eingefahrene Strukturen im Gesundheitswesen, in der Gesundheits- und Umweltpolitik sowie auch Interessen der Wirtschaft dagegen. Würden Schadstoffe als Ursache von Demenzkrankheiten anerkannt, dann müssten Hersteller und Anwender dieser Stoffe zahlen und ihre Produktion umstellen.
Letztlich ist es die Aufgabe der Politik, hier eine grundsätzliche Änderung z.B. durch Verbote und wirksame Grenzwerte zu erwirken.